Letzte Liebe ( Marita Becker )
Letzte Liebe
von Marita Becker
Ich war ja schon ein wenig aufgeregt.
Was würde Eva sagen?
Würde sie mich verstehen, mir Glück wünschen?
Eva ist meine Tochter, mein einziges Kind. Nach dem viel zu frühen Tod meines Mannes habe ich sie alleine großgezogen.
Sie ist eine großartige junge Frau geworden.Hübsch, intelligent, selbstbewusst und gerade frisch verliebt! Gerade deshalb hoffte ich ja auf ihr Verständnis.
Ich war so glücklich wie schon lange nicht mehr.
Nun stand ich im Schlafzimmer vorm Kleiderschrank und probierte schon seit einer ganzen Stunde Kleider an! Ich konnte mich einfach nicht entscheiden!
Sollte ich das Rote mit den schwarzen Knöpfen, das Graue mit dem Schalkragen oder doch lieber den schwarzen Hosenanzug und eine weiße Bluse anziehen?
Ich stand vor dem Spiegel und wiegte mich im Takt der Musik, die aus dem kleinen Kofferradio aus dem Bad zu mir ins Schlafzimmer drang.
Es war ein alter Beatleshit, der mich zu Träumen brachte.
Ich lächelte vor mich hin und fand, dass ich mich für mein Alter doch noch sehr gut gehalten hatte.
In Gedanken verloren legte ich mich aufs Bett. Ich fing an, mich zu streicheln, schloss die Augen und versank in meinen Träumen.
Es waren nicht mehr meine Hände, die mich berührten. Nein, es waren seine!
Selten hatte ich bei einem Mann solch schöne Hände gesehen!
Mit einer fast schon schmerzenden Langsamkeit zeichneten sie die Konturen meiner Brüste, Arme und Lenden nach. Es schauerte mich. Gänsehaut lief mir über den Rücken.
Langsam, ganz langsam glitten seine langen zarten Finger über meinen Bauch, streichelten die kleine Wölbung und glitten Millimeter für Millimeter in mich hinein.
Ich glaubte, es kaum noch auszuhalten und wälzte mich stöhnend auf dem Bett hin und her.
Die Gier wurde immer stärker und ich merkte, dass ich feucht wurde. „Seine“ Finger wurden immer schneller und ich fand mich auf dem Gipfel der Lust, wie schon lange nicht mehr …
Ich weiß gar nicht mehr, wie lange ich danach auf dem Bett gelegen hatte. Es fing an, dunkel zu werden und im Radio las der Moderator inzwischen die Nachrichten.
Schnell stand ich auf, ordnete meine Gedanken und entschied mich für das rote Kleid. Es passte am besten zu meiner momentanen glücklichen Stimmung.
Ich war noch voll zärtlicher Gedanken für meinen Liebsten. Hatten seine weichen Hände mich in der letzten Stunde doch so zärtlich verwöhnt.
Noch kurz ins Bad, die Wimperntusche auffrischen und die Lippen nachziehen. Dann konnten die Gäste kommen!
Zu meinem 65. hatte ich einige enge Freunde, und natürlich auch meine Tochter Eva mit ihrem neuen Freund eingeladen.
Den jungen Mann hatte sie mir bisher vorenthalten. Ich hatte ihn noch nicht kennengelernt. Heute Abend wollte sie ihn mir vorstellen.
In der Küche war schon alles für meine Gäste vorbereitet. Das Büfett sah hervorragend aus und die Getränke waren kaltgestellt.
Punkt 19.00 h klingelte es an der Haustüre und die ersten Gratulanten trafen ein. Gut gelaunt und voller Vorfreude auf einen wunderschönen Abend öffnete ich und bat sie herein.
Wir waren alle bester Laune, als es noch einmal klingelte. Das war sicher Eva mit ihrem Freund. Alle anderen waren schon da.
Ja, es war Eva. Sie stürzte sich auf mich, umarmte und drückte mich.
„Mama, ich gratuliere Dich ganz herzlich zu Deinem Geburtstag und wünsche Dir alles Gute. Vor allem solch eine große Liebe, wie ich sie gefunden habe.“
Sie löste sich von mir und machte den Weg frei für ihren Freund.
„Mama, darf ich Dir Ralf vorstellen, der Mann der mich so glücklich macht.“
Ich wurde bleich, erstarrte zu Eis, der Atem stockte und mein Herz blieb für einen kurzen Moment stehen.
Die Person, die jetzt ins helle Dielenlicht trat, war mein zärtlicher Geliebter, mein Herz, die Liebe meines Lebens …
Der Mann, den ich als Gerd kannte, starrte mich an. Auch er wurde kreidebleich. Jegliches Blut war aus seinem Gesicht gewichen.
Ich hatte als Erster meine Fassung wiedergewonnen, zwang mir ein Lächeln ins Gesicht und bat die Beiden herein.
Eva sollte nicht erfahren, welch doppeltes Spiel ihr Freund spielte.
Wenn Gerd, bzw. Ralf sie glücklich machte und aufrichtig liebte, sollte sie nicht erfahren, dass er für zwei Monate der Freund ihrer Mutter gewesen war.
Ich hatte noch einmal die Liebe und die Zärtlichkeit eines Mannes erleben dürfen und wollte mir diese schöne Erinnerung nicht mit einer Schlammschlacht kaputtmachen, sondern für den Rest meines Lebens bewahren.