Der Fleck ( Ruth Pohl )

Der Fleck

 

Von Ruth Pohl

„Hurra, hurra“ Heute fahre ich mit Mama und Papa in Urlaub. Wir fahren mit der Eisenbahn in den Schwarzwald. Was war das heute Morgen schon eine Aufregung: Haben wir nichts vergessen? Ist der Herd ausgeschaltet ? Das Bügeleisen auch? Die Haustür haben wir abgesperrt? Hoffentlich reichen die eingepackten Kleider. Es wird doch nicht die ganzen Ferien regnen? Haben wir auch Regenmäntel dabei?

„Ach Mama, das ist doch alles so unwichtig, wir dürfen den Zug nicht verpassen.“

Papa schüttelt nur den Kopf und geht etwas schneller.

Die Eisenbahn steht schon da. Mama stürzt hinein und ruft uns zu: „Hierher!, hier ist noch ein leeres Abteil.“

Gemeinsam verstauen wir unser Gepäck im Abteil. Als der Zug abfährt, packt Mama als Erstes die mitgebrachten Frühstücksbrote, die Eier und den Kaffee, für mich Kakao, aus: „So, nun beginnt unser Urlaub. Wer möchte etwas essen? Papa und ich schauen uns an, müssen beide grinsen und schütteln den Kopf. Mama schaut uns groß an und Papa sagt ganz schnell: „Na ja, ein Kaffee ist nicht schlecht.“ „Also, ich trinke dann eben meinen Kakao.“

Nach einiger Zeit geht ein Ruck durch den Zug. Mama hat das Eigelb auf der Bluse, Papa den Kaffee auf der Hose und ich habe Kakao auf meinem Kleid. Zuerst sagt keine ein Wort bis Mama ausruft: „Alles nicht schlimm. Mit etwas Wasser geht das schon weg. Wir lassen uns deshalb doch nicht den Urlaub verderben.“

Ein Gewitter scheint an uns vorbeigezogen zu sein. Mama sieht wieder zufrieden aus und wir auch.

Schließt man die Augen, sind die Rattergeräusche des Zuges sehr laut. Ich teste, ob sie auch regelmäßig sind. Dabei schlafe ich ein. Als ich aufwache, sind wir schon fast da. –Toll, denke ich. Einsteigen, Augen zu, Augen auf, schon angekommen.

Mamas Nichte empfängt uns am Bahnhof und will uns stolz ihre kleinen Wohnort zeigen. Doch Mama hört nicht zu. Sie ist nur am Erklären, warum ihre Bluse einen kleinen Fleck hat. Ihr ist das natürlich sehr peinlich mit schmutziger Bluse anzukommen. Papa und mir sind ihr Gejammer auch peinlich. Mittlerweile sind wir am historischen Ortskern angekommen und Mama hört endlich zu.

Die Sonne scheint jeden Tag. Der Urlaub ist einfach super. Nur das Wandern ist anstrengend, oder Erinnerungen werden ausgekramt. Der Alkohol fließt in Strömen. Doch das Gute für mich ist: die Erwachsenen sind zu müde vom Wandern oder zu angesäuselt vom Alkohol, um mich ins Bett zu schicken.

Zum Abschluss dieses schönen Urlaubs lädt Papa alle zum Essen in ein Restaurant ein. Meine Mama stöhnt und jammert: „Ich hab´ nichts anzuziehen. Alle meine Sachen haben Flecken. Soviel Kleider habe ich ja auch nicht eingepackt.“ Papa und ich lächeln, verdrehen genervt die Augen. Also kaufen wir, wie schon so oft, Mama eine neue Bluse.

Am Abend kommt sie mit ihrer schönen, neuen Bluse strahlend aus dem Zimmer. Ich muss gestehen, sie sieht toll aus. Ebenso toll sieht es im Restaurant aus. Überall weiße Tischdecken, viele Gläser, Kerzen und Blumen. Oh je, hoffentlich passiert kein Malheur. Wie lange wird die schöne Tischdecke weiß bleiben?

Mama isst heute keine Suppe, obwohl sie gerne Suppe isst. Sie will sich bestimmt nicht bekleckern, und ich darf auch keine Spagetti essen. Sogar eine Serviette mit Kettchen bindet sie sich um den Hals, wie eine Oma. Ganz vorsichtig und langsam isst sie.

Nach dem Essen höre ich Mama strahlend zu Papa flüstern: „Sieh´ mal, meine Bluse ist ganz sauber geblieben, kein Fleckchen.. Alle sind sich einig, satt und zufrieden. „Ein schöner Urlaub.“

Nachspeise will keiner mehr, außer mir. Papa glücklich und großzügig spendiert jedem noch ein `Verdauungsschnäpschen´ und mir ein Eis. Die Bedienung deckt den Tisch ab. Die Hände voll Essensrestteller und Schälchen mit Salatsoße, und will sich hinter Mama vorbei quetschen. Und da passierte es. Das Geschirr in ihren Händen kippt. Alle schrecken auf.
„Oh Nein!“ stöhnt meine Mama laut „Können sie nicht aufpassen?“ Papa und ich blicken ganz entsetzt auf Mama. Doch ein Grinsen müssen wir uns beide verkneifen.
Ja nun, jetzt hat sie vorne auf der Bluse keinen Fleck, aber hinten klebt die Salatsoße.

Um Mama zu trösten meint Papa mit trockenem Humor zu ihr: „Vorne hast du aber keinen Fleck!“

Mama trinkt heute 2 Verdauungsschnäpse!

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