Auch nur ein Mann? – ( Sylvia Simon )

Auch nur ein Mann?

von Sylvia Simon

Ungeduldig lauscht Thea in das Telefon hinein.

‘Jetzt muss es bei Yasmine doch mindestens fünf Mal geläutet haben’, murmelt sie vor sich hin.

„Ja!“, ertönt es plötzlich knapp am anderen Ende.

„Hier auch ja!“

„Ach Thea, du bist es.“

„Ja ich! Sag mal, lebst Du überhaupt noch? Von dir hört und sieht man nichts mehr. Wo treibst du dich denn herum?“

„Oh, ich bin immer unterwegs.“

„Wie unterwegs?“

„Na, seitdem Tom und ich uns gefunden haben, komme ich viel in der Landschaft herum.“

„Ach nein!? Schön, dass ich das auch schon erfahre. Den hast du mir ja noch gar nicht vorgestellt?! Seit wann gibt es denn diesen Tom?“

„Na, seit ein paar Wochen. Gemeinsam haben wir bereits sehr viel unternommen. Auch wenn ich es ungern zugebe, er ist ein geographisches Genie.“

„Gibt’s denn so was?“

„Oh ja, wie der sich im Saar-Pfalzbereich, Eifel und Hunsrück auskennt. Nicht einmal haben wir uns verfahren.“

„Das kann doch gar nicht sein. Du umzingelst doch immer erst dein Ziel.“

„Jetzt nicht mehr. Gemeinsam klappt es beim ersten ‚Anlauf‘. Nicht nur mit dem Auto, auch zu Fuß hat er, im Gegensatz zu mir, einen phantastischen Orientierungssinn.

„Den hast du wirklich nicht.“

„Mit ihm gemeinsam macht es richtig Spaß unterwegs zu sein. Aber in einem ist er genau wie alle anderen Männer auch.“

„Ah, Mister Unfehlbar hat einen Makel!“

„Er ist ein richtig pedantischer Besserwisser!“

„Oh, höre ich da etwa eure erste Krise?“

„Ach, von Krise keine Spur. Höchstens kleine Meinungsverschiedenheiten.“

„Na, wenn es nicht mehr ist.“

„So wie letztens. Da sind wir von Differten gekommen und in Werbeln bin ich rechts abgebogen. Weißt du, den Rotenberg hinauf und dann sind wir ja schon gleich zu Hause.“

„Ja, den Weg fahre ich auch immer, wenn ich zu dir komme.“ „Ich kann Dir eins sagen, wollte er doch tatsächlich, dass ich wieder umdrehe und über Wadgassen fahre.“

„Spinnt der, das ist doch ein riesiger Umweg.“

„Ganz meine Rede. Aber penetrant wie eine Scheißhausfliege bestand er darauf, dass ich wenden und über Wadgassen fahren soll.“

„Sag mal, was bildet der sich denn ein.“

„Das habe ich mich auch gefragt. So wütend wie ich war musste ich ihn doch mal daran erinnern, dass ich mich in meiner Heimat bestens auskenne. Da brauche ich keinen Klugscheißer wie ihn, der sich in der großen weiten Welt auskennt und mich hier den größten Umweg aller Zeiten fahren lässt.“

„Richtig so!“

„Als ich meinen Frust los war und wir die erste Kurve erreichten, hatte ich ihn überzeugt. Da waren wir wieder einer Meinung.“

„So kenne ich meine Freundin Yasmine. Dem hast du ja mal ganz schön die Meinung gesagt.“

„Aber das Schlimmste kommt ja noch.“

„Was?“

„Ich glaube er leidet an Alzheimer.“

„Ach, hör auf. In dem Alter.“

„Na ja, seltsam ist er schon. Denn, ein paar Tage später sind wir die gleiche Strecke nochmals gefahren. Und was denkst du? Meckert er mich doch schon wieder an. Ich soll unbedingt wenden…. So blöd kann man doch gar nicht sein, oder?“

„Er ist halt eben auch nur ein Mann.“

„Du sagst es. Aber jetzt ist er so was von beleidigt, dass er nur noch im Flüsterton mit mir spricht. Egal wo ich bei ihm drücke, er wird nicht lauter.“

„Wie, drücken?“

„Na, die Stelle an der man die Lautstärke regeln kann. Jetzt muss ich mir zu allem Elend noch die Gebrauchsanweisung von ihm zu Gemüte führen, bevor ich mir ein Hörgerät zulege.“

„Gebrauchsanweisung?“

„Ja, die von Tom! Tom ist ein Navigationsgerät, und wie du ja weißt, bin ich nicht gerade technisch begabt.“

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Ein Kommentar

  • Gisela Pfeilstücker

    Tom Tom ist mein liebster Begleiter! Mann mit Orientierungssinn und Tom Tom sind nicht zu toppen!

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