Als der Nikolaus noch einen Esel hatte ( Ruth Pohl )

Jules Barrois – Neues aus der Schreibwerkstatt

Als der Nikolaus noch einen Esel hatte

von Ruth Pohl

Mir ließen die Vorkommnisse der letzten Jahre keine Ruhe.

Sogar meine Klassenkameradinnen meinten: „Nikolaus? Ha, den gibt´s doch gar nicht. Glaubst du noch an den? Wir sind jetzt in der Schule, da glaubt man nicht mehr an den Nikolaus. Das Alles machen doch die Eltern. Dann auch noch bis zum nächsten Morgen warten, damit wir ausgeschlafen sind. Den ganzen Kram können sie uns auch abends, am 5. Dez. geben.“

Nun, als kleine Dumme wollte ich nicht verschaukelt werden. Ich lief zu meinem Bruder.
Zu der Frage „Nikolaus?“ gab er mir keine direkte Antwort, sondern meinte: „Hör mal zu, wenn’s nicht so wäre …, ach, lass es gut sein. Die Eltern freuen sich, wir freuen uns. Hauptsache wir bekommen all die leckeren Sachen und alle sind glücklich.“
Also nervte ich jetzt die Eltern: “Gibt es ihn oder gibt es ihn nicht? Warum kommt er dann nicht schon heute Abend? Hat er wirklich einen Esel bei sich? Aber warum?“ Doch die Beiden blieben hart: „Zu uns kommt der Nikolaus immer erst nachts, du wirst es ja sehen und dann entscheidest du selber, ob es ihn gibt oder nicht.“

Also gut. Es dauerte heute natürlich länger bis es Abend wurde. Wir durften, oder mussten fernsehen. Damit wir müde wurden? Ich behielt die Geräusche der Küche im Ohr. Da, da war doch was? Ich lief in die Küche. Nein, alles glänzte zwar, doch der Tisch war leer. Unter dem Tisch stand der Teller mit Haferflocken für den Esel, wie jedes Jahr, bereit.
Als ich schlafen ging, blickte ich noch schnell in die Küche. Leer!

Doch im Bett wurde ich wieder hellwach und lauschte angestrengt. Nichts!
Auf einmal fiel mir etwas ein: Wie könnte ich nur ins Schlafzimmer kommen? Die vielen schönen Sachen waren ganz sicher dort versteckt. Falls ich einschliefe, würde ich die Eltern nicht hören. Von dort könnte ich aber auch den Nikolaus hören. Aber wie? Ich hab´s!

Ich stapfte zu meinen Eltern: „Mama, mir ist so schlecht, ich habe Bauchweh und die Brust tut mir so weh.“ „ Ach je, ausgerechnet heute Nacht“, klagt meine Mutter, „leg dich mal in unser Bett, ich mache dir eine Wärmflasche, reibe dir die Brust ein und bringe dir eine schöne Tasse heiße Milch. Dann wirst du bald einschlafen.“
Juch hu, geschafft! Ich schaute noch schnell in die Küche. Leer!

Verzweifelt hielt ich mich wach. Nun, nach der Behandlung meiner Mutter musste ich ja wirklich einschlafen. Aber ich wollte doch noch hören. Mir drohten die Augen zuzufallen.

Ich schleppte mich in die Kühe. Leer! Enttäuscht kroch ich wieder ins Bett. Ach wie kuschelig und warm es doch hier war.

Wieder hörte ich ein Geräusch: Klapp, klapp. Ab in die Küche, schnell. Aah, wie sah es denn hier aus? Alles bunt und der Tisch war voll mit vielen, leckeren Süßigkeiten. Wie der Wind huschte ich wieder ins Bett. Mist aber auch, die Tür klappert nur. Na ja, ist doch egal.
Mutter wurde wach und fragte: „Wie geht es dir denn heute?“ „Ach, ich glaube mir geht es schon viel besser, müssen wir denn schon aufstehen? Ich bin noch so müde“, erwiderte ich scheinheilig. „Nein, nicht sofort, ich rufe dich, wenn ich fertig bin.“

Auf einmal ein Schrei: „Kommt schnell, kommt der Nikolaus war da!“ Wir stürzen in die Küche. Tatsächlich, welche Pracht. Alles war so bunt von Äpfel, Nüssen Lebkuchen, Apfelsinen, Marzipan, Schokolade. Auch kleine Sachen, die wir jeden Tag brauchten, wie lustige Bleistifte, Radiergummis, Spitzer und hübsche Glanzbilder. Mein Bruder grinste: „Na siehste? Schön doch, oder?“

Doch während des Waschens und Anziehens kamen mir wieder die Gedanken. Wer hat das nun gemacht? Ob die Eltern sich vielleicht beim Frühstück verplappern?
Zuerst einmal freute ich mich über die vielen tollen Sachen. Alles wurde probiert wie es schmeckt.

Meine Mutter, zeterte los, eigentlich ziemlich ernst: „So ein Dreck, und zeigte unter den Tisch. Der Esel hat mal wieder alles verstreut. So schlimm war es noch nie. Jetzt kann ich wieder alles sauber machen.“ Mamas Gejammer interessierte mich gar nicht.

Gedankenverloren knabberte ich an meinem Tonpfeifenweckmann.
„Was ist denn mit dir los?“, fragte mein Vater. „Magst du dieses Jahr nicht auf deiner Tonpfeife blasen?“ Erschrocken rief ich: “doch sicher, aber …?“
“Was aber …?“ riefen alle aus einem Mund und schauten mich ganz merkwürdig an.
Schnell antwortete ich: „Ja, wenn der Esel doch Hunger hat, und so viel frisst, muss er doch auch etwas zum trinken bekommen, oder…?

Alle lachten. Wie mir scheint erleichtert, denn sogar meine Mutter nickte: „Gut, das nächste Mal bekommt er auch was zu trinken.“

Im nächsten Jahr kam kein Nikolaus mehr, denn keiner glaubte mehr an sein Kommen.


Unter der Rubrik: Neues aus der Schreibwerkstatt stellt Herrr Barrois in der saarländischen Dorfzeitung in loser Reihenfolge Kurzgeschichten und Essays verschiedener Autoren vor.


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