Der Acker-Gauchheil

 

 

„Gegen die Dummheit ist kein Kraut gewachsen“ sagt eine bekannte Redewendung

Das galt aber nicht immer so. Gemäß dem alten Glauben unserer Ahnen gab es durchaus eine heimische gleichsam wundersame wie wunderschöne Blume, welche die Fähigkeit der Dummenheilung sogar noch heute in ihrem Namen trägt:

Der Gauchheil

 

Acker Gauchheil

 

Auffällig wird der Acker-Gauchheil (Anagallis arvensis) nur dem aufmerksamen Naturbeobachter, der sich die Mühe macht, auch diejenigen Pflanzen näher zu betrachten, welche ihres niederen Wuchses und der kleinen Blüten wegen eher unauffällig zu seinen Füßen am Wegesrand wachsen. Dabei gehört seine zinnoberrote Blüte zu den schönsten unserer einheimischen Primelgewächse. Bereits der griechische Arzt Dioskurides hat ihm vor etwa zweitausend Jahren den Namen Anagallis gegeben, vielleicht sogar abgleitet vom griechischen Wort für schmücken: „agállein“. Wer Glück hat, findet ihn in unserer Region auch in der besonders attraktiven azurblauen Farbvariante (Bild 3)

Acker-Gauchheil azurblau

 

Der heute auf allen Kontinenten vorkommende Acker-Gauchheil wächst vorwiegend auf Brachland, in Gärten, auf Weinbergen und Schutt, an Wegrändern und Äckern, was letztlich seinen wissenschaftlichen Beinamen „arvensis“ erklärt (aus dem lateinischen „arvum“ für Acker, Feld, Flur). Seine Blüten öffnen sich bei schönem Wetter ziemlich verlässlich erst gegen neun Uhr vormittags. Weitere Namensgebungen wie Neunerle und personifizierende Bezeichnungen wie Faule Magd, Faule Gretl und Faule Liesl rühren von diesem späten morgendlichen Erwachen her. Bereits zwischen drei und vier Uhr nachmittags schließen sich die Blüten wieder, weshalb unser Gauchheil in Niederösterreich auch „Firobedblümli“ (Vier-Uhr-zu-Bett-Blume) genannt wird.

Der Name Gauchheil selbst geht auf das althochdeutsche gouh und gauh (mittelhochdeutsch: gouch) zurück, womit man einerseits den Kuckuck und anderseits auch den dummen Tor, den Narr oder den Idiot bezeichnete. Lange Zeit suchten bereits unsere Altvorderen ein Kraut gegen die Dummheit, gegen die ja bekanntlich selbst die Götter vergebens kämpfen, und glaubten, es endlich in unserem Gauchheil gefunden zu haben. So mussten zu alten Zeiten tatsächlich einige unter den verschiedenen, ursächlich noch unbekannten Krankheiten leidenden Menschen, oftmals als Dorfnarren diskriminiert, diesbezüglich unwirksame und bitter schmeckende Medizin aus der vermeintlichen Heilpflanze über sich ergehen lassen.

 

Acker-Gauchheil 2

 

Die eigentlich giftige Pflanze ist aus unserer heutigen Schulmedizin längst verschwunden, galt aber noch lange Zeit bei äußerlicher und innerlicher Anwendung als Hausmittel gegen Warzen, Steinleiden und Verstopfung. Eine schwach betäubende (narkotisierende) Wirkung, welche ihr bereits Leonard Fuchs in seinem Kräuterbuch anno 1543 etwa bei der Behandlung von Zahnweh zuschrieb, wird dem Gauchheil heute durchaus zuerkannt. So verwundert es denn nicht, wenn unsere Urahnen das Kraut auch zur Behandlung bei Schlangenbissen einsetzten. Auch galt die Pflanze als wirksam zur Erregung von Heiterkeit. Somit könnte der Name Anagallis, wie Carl von Linné vermutet, auch dem griechischen „anageláo (lache!) entstammen.

Somit gibt uns die Natur zwar doch kein Rezept gegen die Dummheit, zumindest aber ein Mittel, um herzhaft über sie lachen zu können.

Bild 1: Charles Reckinger, Luxemburg
Bild 2: Dr. Hilke Steinecke, Palmengarten Frankfurt
Bild 3: Botanischer Garten der UdS
Text: Wolfgang Stein, Botanischer Garten der UdS

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